Tour-Tagebuch
Hier findet Ihr alle Tagestouren im Überblick
Tag 95
Sonntag 17.07.2022
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Nun ist es tatsächlich so weit
Es ist soweit, der letzte Tag meiner Nord- und Ostsee Umrundung ist angebrochen. Zur Feier des Tages lasse ich auch die Drohne noch einmal kreisen. Dann breche ich auf und versuche die letzten Kilometer wirklich zu genießen und bewusst wahrzunehmen
Je näher ich Hamburg komme, um so mehr übermannt mich aber die Sehnsucht meine Frau und mein Kind in die Arme zu nehmen.
Man blendet das Heimweh nach der Familie zu einem großen Teil während so einer Tour aus, da man sich täglich auch mit der Reise und den Begegnungen, den Strapazen, den Widerständen, dem Wetter, den Aktionen ablenken kann. Aber wenn man weiß in 20 km ist man wieder bei seinen Lieben, zerreißt es einen schlichtweg. Die letzten Kilometer schießen mir andauernd die Tränen in die Augen und als ich meine beiden Mädchen auf der Straße stehen sehe, breche ich heulend zusammen – Oh Gott ist das schön wieder bei ihnen zu sein!!!!!
Unglaublich, dass man es so lange ohne sie ausgehalten hat!
Ende gut, alles gut
Tag 94
Samstag 16.07.2022
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Die Kraft des Herzens
Ich übernachte auf einem sehr vollen Campingplatz direkt hinter einer Düne. Der Wind bläst mit Böen bis zu 50 km/h und ich habe leichte Schwierigkeiten das Zelt aufzubauen, ohne dass es mir gleich wieder wegfliegt!
Zum ersten Mal koche ich unter der Zelt-Abside, passe höllisch auf, dass die Flamme des Kochers nicht den Plastikstoff ankokelt. Das wär‘s noch, am vorletzten Tag das geliebte Zelt abfackeln 🏕😂
In der Nacht hat es kräftig geregnet, aber morgens scheint die Sonne und jetzt zeigt sich der positive Effekt von so viel Wind … innerhalb weniger Minuten ist das Zelt trocken und ich kann es mit gutem Gefühl einpacken.
Jetzt geht es 115 km in Richtung Wismar. Ich habe gerade erfahren, dass meine Tochter Nele heute schon von ihrem Abenteuer Camp Urlaub zurück aus dem Bayrischem Wald kommt. Jetzt hält mich nichts mehr, ich will zurück nach Hamburg. Auf der Komoot App gebe ich den kürzesten Weg in die Hansestadt ein und sehe, das es noch 220 km sind. Das ist in zwei Tagen zu schaffen.
Krass, welche Kräfte man auch nach 94 Tagen noch mobilisieren kann, wenn das 💚 einen nach Hause treibt. Völlig erledigt schlage ich am Abend am Rande eines Waldes/Maisfelds mein letztes Wildnis-Camp auf. Ich habe mir sagen lassen, dass es erlaubt ist, in Mecklenburg Vorpommern für eine Nacht wild zu Campen 🏕
Ein merkwürdiges Gefühl demnächst wieder in einem Bett zu schlafen. Ich liebe mein Zelt und die Luft-Matratze, auch wenn sie seit Wochen ein Loch hat und ich sie jede Nacht einmal nachpumpen muß 👍😂👏
Tag 93
Freitag 15.07.2022
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Gitarrensolo nur für mich
Ich breche vom Gelände des Stralsunder Kanu-Clubs auf und radle eine wirklich wunderschöne Strecke entlang der Küste in Richtung Darß, Barth und Zingst. Die vielleicht am besten zu fahrenden Radwege bisher, wenn da nicht dieser heftige Gegenwind wäre. In Böen bis zu 50 km/h. Das verlängert die reine Fahrzeit doch enorm.
Als ich mich schon der 80 km Marke nähere, höre ich plötzlich bekannte Klänge einer E-Gitarre. Jemand spielt hier sehr laut „All along the Watchtower“, von Bob Dylan, aber in der Version, wie sie mein Lieblingsmusiker Neil Young zu pflegen tut … Was geht denn hier ab, frage ich mich …
Des Rätsels Lösung ist: Deutschlands einziger Vollblut-Cover-One-Man-Band Rockmusiker Stefan Keil, aus Gießen, ist heute Abend auf dem Darß zu Gast und macht gerade seinen Soundcheck. Ich komme natürlich nicht umhin, ihm von meiner Begeisterung für Neil Youngs Musik zu erzählen und als Geschenk des Tages, spielt er nur für mich eine 10-minütige Version von: Like a Hurricane! Mein absoluter all time 🤩 favourite!
Was für eine absurde Situation: Ich stehe um 17:45 Uhr auf einer Wiese, kein Mensch da außer mir und Stefan Keil und er lässt die Gitarre 🎸 jaulen, als gehe es um unser beider Leben!!!
Danke liebes Universum für deine merkwürdigen Zufälle die vielleicht gar keine sind 💚🙏🎸🤩
Tag 92
Donnerstag 14.07.2022
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Wie ein Ehering mich um den Schlaf brachte
Ich zelte heute auf dem Gelände des Stralsunder Kanu Clubs. Dort habe ich vor 10 Jahren zweimal am längsten Kajak-Rennen Deutschlands teilgenommen. 70 km um die Insel Hiddensee herum. 11,5 Stunden im Kajak sind tatsächlich schlimmer als die gleiche Zeit auf dem Fahrrad 😂
Es ist ein schönes Gefühl, wieder durch Deutschland zu fahren. Die Nacht auf dem Campingplatz war zwar davon geprägt, dass sich ein Ehepaar – insbesondere der Ehemann, lautstark gestritten hat. Seine Frau hatte aus unbekannten Gründen ihren Ehering weggeworfen und das gab Anlass bis zum Eintreffen der Polizei, von etwa 02:00 Uhr nachts bis um 06:30 Uhr in der Früh, heftigst zu streiten …. die armen Kinder, die das alles mitbekommen haben. Gottseidank kam es nicht zu Handgreiflichkeiten, ich war in meinem Zelt immer kurz davor mich einzubringen, hatte aber das blöde Gefühl, die Situation damit zum eskalieren zu bringen und nachdem die Polizei seine Personalien aufgenommen hatte, war dann auch Ruhe.
Meine Fahrt selber war dann weniger aufregend. Schöne Fahrradwegführung durch die Dörfer, leider über sehr viel Kopfsteinpflaster und entlang der Küste und des Greifswalder-Bodden. Es sind kaum andere Fahrradfahrer und Touristen unterwegs, eine Wohltat nach der überfüllten polnischen Küste. Heute geht es in Richtung Rostock, über den Darß. Da könnte dann etwas mehr los sein.
Ach so, geregnet hat es auch am späten Nachmittag und Abend. Ziemlich heftige Schauer, hoffentlich kann mein Zelt noch trocknen, bevor ich es einpacken muss 🏕👍🙏.
Tag 91
Mittwoch 13.07.2022
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Der Tag der guten Taten
Erst kann ich im Wald vor Sweenemünde einem polnischen Pärchen helfen. Dem Mann ist die Schraube an der Sattelstange gebrochen und wir tapen ihm seinen Sattel mit der Zuhilfenahme einer kompletten Rolle Panzer-Tape wieder am Fahrrad fest. Aus Dank wird mir ein eiskaltes Bier geschenkt. Ich trinke keinen Alkohol, will die liebe Geste aber nicht abweisen und bedanke mich herzlich für das “Geschenk”.
Kurze Zeit später stecke ich auf einer üblen Sandpiste mit dem schweren Cargobike an einer steilen Dünenauffahrt fest. Mit der Hilfe eines polnischen Touristen kann ich es aber schaffen, den Silver-Surfer über das Hindernis hinwegzuschieben. Als Dankeschön bekommt er ein fast noch eiskaltes Bier von mir 😂😂😂
“Das nennt man Kreislauf, die helfen dir und du hilfst ihnen … “
Ach so, ich habe wieder deutschen Boden betreten an Tag 91 meiner Reise 💚🙏🇩🇪.
Es fühlt sich gut an🌻.
Tag 90
Dienstag 12.07.2022
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Ein Fernradweg, nicht für Radfahrer
Welcher Voll-Hirni ist für die Streckenführung des R 10 Ostseefernradweg verantwortlich?
Dieser Mensch gehört geteert und gefedert. Was für eine Zumutung über 60-70 km von einem Touristen-Dorf durchs nächste geführt zu werden. Der Fahrradweg ist gleichzeitig Strandpromenade und wird als solcher auch von Heerscharen von Touristen auch als solcher genutzt. Ist völlig überlaufen, es fahren E-Scooter, Go-Carts, Elektro-Motorräder – das volle Programm. Es ist Stress pur sich dort einen Weg durchzuwühlen. Dann andauernd Bordstein rauf Bordstein runter. Alle paar km versperren einem irgendwelche Fahrgeschäfte, Souvenirläden oder Mega-Hüpfburgen den Weg. Es ist das pure Chaos.
Es wird hier gerade gebaut als gäbe es kein Morgen, eine Apartment-Siedlung jagt die nächste und ein Hotel das andere. Hier herrscht der totale Ausverkauf. Die Natur kann einem da nur leid tun.
Aber die Menschen sind nett, grüßen und bestaunen mein Velo-Lab Bike. Lastenfahrräder sind hier noch nicht angekommen. Wenn etwas mit dem Fahrrad transportiert wird, dann im Hänger.
Wer reich werden will, sollte in einer großen Stadt nen Cargobikeladen eröffnen und als Trendsetter in die polnische Fahrradgeschichte eingehen.
Tag 89
Montag 11.07.2022
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"Go to Hel!"
Ein toller Tag, denn in der Nacht hat es nicht geregnet und auch der ganze Tag bleibt trocken. Ein süßes Gespräch mit der 13 jährigen Tochter Hanja, der polnischen Fahrradreise-Family, die mir gegenüber ihr 2 m hohes Familienzelt aufgebaut hat. Der Vater zieht einen Trolly hinter seinem Mountainbike her, der bestimmt 40-50 kg wiegt. Klapptisch, Stühle alles dabei 👍
Hanja erinnert mich an Greta Thunberg. Ich beschreibe ihr meine Reiseroute und frage nach ihrem Ziel. Ihre Antwort: We go to Hel! Und das im erzkatholischen Polen. Da haben die eine Stadt die Hel heißt. Gottseidank nur mit einem L geschrieben.
Die ersten 20 km sind heftige Panzerplatten, Sand- und matschige Waldwege, dann der beste Euro-Radwege mit feinstem Belag. Der schönste Teil sind die knapp 10 km über einen schmalen Dünenstreifen der Dabcovice heißt.
Kurz danach treffe ich ein deutsches Paar, das auch mit Fahrrädern unterwegs ist. Aber das besondere ist, Maximilian fährt mit einem Bullit, ein dänisches Lastenfahrrad. Er ist in drei Monaten der erste und einzige andere Cargo/Fernradreisende, den in getroffen habe. Ganz abgesehen davon ist er Fahrradspezialist, kennt VeloLab, hat dort schon kurz gearbeitet.
Er ist Elektronik-Ingenieur, spezialisiert auf elektronische Fahrradschaltungen und das für die deutsche Traditionsfirma Rohloff aus Kassel. Die bauen die besten und zuverlässigsten Nabenschaltungen der Welt.
Wir verquatschen uns und stellen fest, dass gleich die Sonne untergeht. Tauschen schnell noch Nummern aus und ziehen von dannen, um noch unsere Campingplätze bei Tageslicht zu erreichen! Geschafft! 22:00 Uhr.
Tag 88
Sonntag 10.07.2022
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Ballermann-Musik
Die Nacht im Shelter war recht unruhig. Meine Luftmatratze machte schreckliche Geräusche auf der Holzbank und ich traue mich deshalb kaum mich zu drehen, um Jarek nicht aufzuwecken. Es regnet immer wieder und das Wasser läuft von den Seiten unter meine Bank. Am Morgen ist der Schlafsack doch nass geworden und auch die Luftmatratze hat an den Ecken Feuchtigkeit aufgenommen.
Es hilft nichts, die Sachen müssen ein wenig Klamm eingepackt werden. Jarek und ich frühstücken noch gemütlich miteinander und dann geht es für uns beide in unterschiedliche Richtungen weiter.
Er muss nach Danzig ich in die entgegengesetzte Richtung. Er hat mich noch vor einem üblen Stück Radweg gewarnt (Sand für 15 km) sodass ich die Route noch schnell verändert habe.
Jetzt geht es für ein längere Zeit auf kleinen Nebenstraßen in Richtung Westen. Als ich endlich nach 110 Km erschossen und erledigt aus dem Wald an der Küste ankomme, trifft mich der Schlag! Kier ist Kirmes! Laute Ballermannmusik schallt mir entgegen und angeheiterte Paare bitten zum Tanz. Jetzt die Zähne zusammenbeißen und die letzten 2 km bis zum Campingplatz hinter mich bringen.
Wow Übernachten kostet hier nur 5 €, aber dafür muss ich aber 0,58 Cent für einmal Powerbank laden zahlen 🙏😂😂😂
Um mich rum wird viel Musik 🎵 in den Hauszelten gehört! Das wird eine lustige Nacht – leider soll es regnen, die ganze Nacht durch bis morgen um 10:00 Uhr 👍
Ich berichte wie das hier weitergeht🌻🚲⚙️
Tag 87
Samstag 09.07.2022
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Wie ein verbeulter Teller
Liege unter dem Dach mit Jarek Ciosek, einem polnischen Bike-Packer, der heute mit seinem Carbon-Renner mal locker 210 km gefahren ist.
Wir haben uns beide entschlossen, hier auf den Bänken unter einem Dach die Luftmatratzen und Schlafsäcke aufzubauen und auf das Zelt zu verzichten.
Es soll nämlich morgen den ganzen Tag regnen und da ist es kein Vergnügen ein völlig nasses Zelt zusammen zu packen. Er ist auf dem Weg nach Danzig, wo ich heute durchgefahren bin, um dort einen Vortrag über Bike-Packing auf einer großen Fahrrad-Convention zu halten. Jarek hat vorher 12 Jahre in Chicago gelebt und ist jetzt mit seiner Frau nach Bosnien gezogen.
Ich hatte einen sehr abwechslungsreichen Tag. Halb Großstadt ( Danzig ist wunderschön ) und viel Natur an der Küste. Gdynia, die Industrie-Hafenstadt, die direkt an Gdańsk (Danzig) anschließt, ist nicht wirklich eine Perle der Ostsee, sondern eher ein rostiger, verbeulter Teller. Aber es kann ja auch nicht immer alles schön sein.
Bin gespannt wieviel Regen es morgen geben wird! Gute Nacht. 💤
Tag 86
Freitag 08.07.2022
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Viel Natur und viel Müll
Die Wetter App sagt für heute heftigen Regen voraus und sie behält recht! Um Punkt 11:00 Uhr öffnet Petrus seine Schleusen und es gießt so heftig wie noch nie auf dieser Tour.
Der Zufall will es, dass ich in diesem Moment an einem kleinen Rastplatz mit Holztisch und Bänken und einem Dach stehe. Dieser befindet sich neben einer 700 Jahre alten Eiche. Ein beeindruckender Baum, hat in Brusthöhe einen Umfang von 10 m. Wahnsinn, wenn man sich vorstellt dass der Baum schon 60 Jahre da stand als Columbus 1492 Amerika entdeckte.
Nach zwanzig Minuten lässt die Heftigkeit des Regenschauer nach und ich kann weiterfahren. Polen hat viele hübsche Ecken aber auch ein echtes Müllproblem, ich entdecke eigentlich überall Plastikmüll.
Leere Flaschen scheint man hier wohl öfter aus dem Autofenster zu entsorgen. Schade, denn die Natur ist voll mit tollen Tieren. Kraniche, Störche, sogar einen Otter habe ich heute gesehen. Seeadler und Wölfe – hier gibt es sie noch! Sogar ein Elchwarnschild neben der Autobahn habe ich heute entdeckt.
Das Anti-Dog-Spray ist heute auch zum Einsatz gekommen. Ein recht großer schwarzer Hund lag am Straßenrand und als ich mich ihm relativ langsam näherte, fühlte er sich genötigt mich kläffend zu verfolgen.
Nachdem ich das Spray eingesetzt habe, ließ er von mir ab. Hoffe, dass ich es nicht noch öfter einsetzen muss. Als bekennender Hundefreund bedauere ich das sehr, aber ich möchte gefährliche Situationen für beide Seiten verhindern.
Tag 85
Donnerstag 07.07.2022
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Hilfe von polnischen Radfahrern
Um 03:30 Uhr bei Sonnenuntergang aufgestanden. Das Zelt steht mitten in einem Kornfeld und ich habe Panik, dass der Bauer mich entdeckt und zum Teufel jagt.
Das völlig feuchte Zelt wird eingepackt und um kurz nach 04:00 Uhr bin ich schon on the green Velo, ein wirklich grüner Weg.
Bei der nächsten Weggabelung mache ich einen entscheidenden Fehler. Ich kürze ab und wechsle auf eine andere Route. Die nächsten drei Stunden quäle ich mich über Sandpisten, Kraterlandschaften, Panzerplatten und katastrophalen Kopfsteinpflastern.
In einer kleinen Stadt mache ich um 09:00 Uhr Frühstückspause und baue in der Sonne mein Zelt am Stadtsee auf einer Holzterrasse auf. Die Leute wundern sich, welcher dreiste Deutsche da seinen Schlafplatz auf öffentlichen Grund bezieht … Schlafsack, Isomatte und Inlet, alles wird zum Trocknen ausgebreitet…
Gott sei Dank kommen drei fröhliche polnische Radtourer des Weges und sprechen mich auf mein Cargobike an. Sehr sympathische Leute, sie schenken mir ein Hundeabwehrspray. Sie haben jeder eins dabei und meine Hundeattackenstory von heute morgen muss ihr Herz berührt haben.
Mittlerweile kann ich nur noch krächzen, so heiser geschrien habe ich mit in den letzten drei Tagen!
Tag 84
Mittwoch 06.07.2022
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Auf der Flucht
Früh raus – der Bauer soll einen nicht erwischen. Fünf Uhr aufstehen, um 06:00 Uhr wird losgeradelt. In einer Stadt werden die fehlenden Elektronik nachgekauft, auch noch einmal Gas für den Kocher.
Wieder dreht ein Hund durch und stürzt sich auf mich. Auf den Schrecken, erstmal Mittagessen gegangen und die Powerbank geladen. Lasse mir von der netten Bedienung ein paar polnische Wörter aufschreiben!
Ich kann nicht mehr, mir fallen die Augen zu – gute Nacht 💤
Tag 83
Dienstag 05.07.2022
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Stichworte
Schräger Campingplatz mit Metalschrott-Skulpturen
Gottfried der Schweizer Radheld, schon 65000 km mit seinem Reiserad aus der Schweiz gefahren – nie etwas kaputt!
Am drei Ländereck lerne ich vier Maschinenbau-Studenten aus Darmstadt kennen! Top Jungs, wollen bis nach Riga.
50 km weiter stelle ich fest: Powerbank, Stecker und Kabel auf dem litauischen Campingplatz vergessen – Mist!
Tag 82
Montag 04.07.2022
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Dieser Tag war die Hölle!
Angefangen mit ca. 40 km übelster Schotterpiste, auf die man kein Fahrrad schicken sollte, das nicht komplett vollgefedert ist oder Ballonreifen besitzt. Dann gefühlte dreißig Grad in der Sonne, Schwärme von Stechfliegen (Bremsen), die über einen herfallen, weil man nicht schneller als 9 km/h auf diesen Pisten fahren kann. Nachdem die Stechmonster einen die letzten Nerven und alles Blut gestohlen haben, kommen die aggressiven Hofhunde zum Einsatz.
Fünf mal wurde ich von der übelsten Sorte Wachhund attackiert. Nur lautes und völlig übertriebenes Anpöbeln der Hunde führte dazu, dass sie von mir abließen.
Dafür hatte ich, als ich um 21:30 auf dem Campingplatz ankam, meine Stimme verloren. Und um das Bild rund zu machen, waren auch noch die Duschen abgeschlossen – gut dass der Zeltplatz an einem See liegt!
So einen Tag wünscht man seinem größten Feind nicht!
Tag 81
Sonntag 03.07.2022
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Erster richtiger Reisetagebuch nach dem Speichenbruch vor 10 Tagen!
Endlich mal wieder ne richtige Strecke gemacht! 119km ohne Motor – na wer sagt es denn, geht doch! Ich muss vorsichtig sein und den Tag nicht vor dem Tour-Abend loben, denn wir sind ja noch immer unter Murphys Gesetz unterwegs. Aber als hoffnungsloser Optimist habe ich das Gefühl, der Wechsel auf ein Hinterrad ohne Motor war genau das richtige.
Wenn man dann auch noch realisiert, dass ich mit 30 kg weniger Gewicht unterwegs bin, dann kann man schon fast daran glauben: Ab jetzt wird alles gut!
Heute war es ja auch besonders spannend, da die Strecke zum Teil direkt am Grenzfluss – der Litauen von Russisch Kaliningrad trennt – entlang führte. Ein merkwürdiges Gefühl beschleicht einen, wenn man auf die andere Seite schaut. Russland hat sich seinen Ruf auf die nächsten zwei Jahrzehnte ruiniert. Die sind fast in der Situation von Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg, als die ganze Welt sich einig war, dass von Deutschland nur Schlechtes ausgeht. Traurig, dass es nur die Riege von einigen einflussreichen Kriegstreibern braucht, um ein ganzes Land mit in den Abgrund zu ziehen …
Morgen geht es weiter mit der Umrundung der Exklave. Ich möchte es so schnell wie möglich hinter mich bringen und an die polnische Ostsee Küste gelangen 🌊.
Ich denke noch zwei, bis drei Tage, dann bin ich wieder am Meer. Ich vermisse schon meine Beach Clean Ups. Das ist einfach ganz was anderes, als diese Müllklauberei vom Straßenrand.
Tag 80
Samstag 02.07.2022
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Beach Cleanup zu Dritt
Es ging nicht anders, habe heute noch einen Tag auf dem wirklich schönen kleinen Campingplatz in Ventaine verbracht. Die Nacht über war das bisher heftigste Gewitter mit starkem Wind bis zu 60 km/h über mein Zelt gefegt. Am Morgen gab es dann immer wieder Schauer, die mich davon abhielten, das noch nasse Zelt einzupacken.
Der wahre Grund des unfreiwilligen Aufenthalts ist aber eigentlich ein zutiefst menschlicher: Mit Jeanine, Peter und der Hündin Slava lernte ich heute so nette Menschen kennen, dass ein Weiterfahren einfach blöd gewesen wäre. Slava und Jeanine halfen mir außerdem beim BeachCleanUp und das war mir in den vergangenen 78 Tagen auch noch nicht passiert. Ferner warteten ein paar wichtige Online-Termine auf mich.
Daher nahm ich mir den letzten Tag bevor es um Kaliningrad herumgeht frei, um die ornithologische Station, welche nur 2 km an einer kleinen Halbinsel liegt, zu besuchen und konnte dort die größte Vogelfalle der Welt bestaunen! Hier werden Zugvögel mit einem riesigen Netz zur Beringung eingefangen. Bisher 3 Million Vögel!
Der gestrige Tag verlief mal wieder emotional gesehen sehr intensiv. Am Mittag hatte ich meinen ersten Nervenzusammenbruch, da mein zweites Paket mit einem Hinterrad aus Deutschland mich ebenfalls nicht erreichen sollte. Diesmal wurde es zunächst falsch an Lettland statt an Litauen adressiert, dann von mir korrigiert und nach Litauen umgeleitet. Die hielt die Postgesellschaft am Ende trotzdem nicht davon ab, es wieder nach Litauen zu senden, obwohl die Stadt Klaipėda dort nicht existiert.
Eine ganze Woche hatte ich auf dieses Paket gewartet und jetzt wieder nichts! Da kann man schon einmal hyperventillieren und kurz vor einem Weinkrampf stehen. Was in drei Teufels Namen hat man falsch gemacht, um so viel Chaos erleben müssen …
Aber Eddi, der Chefmechaniker bei Velostreet, rettet mich. Er schickt mich zum Nachbarladen ein 26″ Hinterrad zu besorgen. Er demontiert das alte Rad, nimmt Zahnkranz und Bereifung ab, zieht es auf das neue Rad auf, baut es ein, eine neue Kette ist auch fällig und fertig ist ein neues, demotorised Hinterrad.
Jetzt muss ich nur noch ein 22,5 kg schweres Paket mit Akku, Hinterrad, Motor und Dingen, die ich für die Heimfahrt nicht mehr benötige, zur Post bringen, 82 € dafür berappen und schon kann meine Tour weiter gehen🙏🚲⚙️👍💚♻️🌊
Tag 78
Donnerstag 30.06.2022
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Versehentlich besoffen
Heute morgen von der Insel runter zum Fahrradladen: Bin viel zu früh da und gehe noch in ein kleines Kaffee ☕️ Tolle Speisen, Schoko Croissant, Käsespinat-Teilchen, Cappuccino: 3,90
10:00 der Fahrradladen macht auf. Paket 📦 ist natürlich noch nicht da und mein Trackingprogramm macht widersprüchliche Aussagen. Das deutsche teilt mir mit, das Paket sei zurück an den Absender geschickt worden, das Lettische wiederum bestätigt die Weiterleitung nach Litauen 🇱🇹
Wir rufen an, um uns Klarheit zu verschaffen und tatsächlich, das Paket ist auf dem Weg zu Velostreet. Heute wird das aber nichts mehr und so setze ich mich in eine kleine Brauerei (Tipp vom Fahrradladenbesitzer) und mache Social-Media … da ich keinen Alkohol trinke, bestelle ich mir zwei 0,5 l alkoholfreie Hefeweizen und stelle nach dem Aufstehen fest, das da wohl doch etwas Alkohol drin war. 0,5% um genau zu sein. Shit, ich wanke tatsächlich ein bisschen, da merkt man welche Wirkung die Droge hat, wenn man nichts mehr gewöhnt ist. Zurück auf die Insel, Zelt aufgebaut, an den Strand und erst einmal den Rausch ausschlafen 😂.
Tag 77
Mittwoch 29.06.2022
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Morgen weiß ich mehr
Nach fünf Tagen Pause und vier intensiven Beach Cleanups habe ich mich wieder auf den Weg in Richtung Fähre gemacht.
Kurz vor dem Hafenstädtchen habe ich mich dann aber doch dazu entschieden, auf der Insel zu campen. Was habe ich davon, um 22:00 Uhr auf dem Festland anzukommen und mir dann in der Stadt einen Campingplatz zu suchen, da leg ich mich doch lieber auf eine ameisenverseuchte Wiese und werde morgen früh übersetzen.
Mein Paket-Tracking hat noch nichts eindeutiges ergeben. Ich muss einfach darauf vertrauen, dass das Hinterrad morgen bei Velostreet ankommt. Wenn nicht, warte ich bis Freitag ab und dann muss neu entschieden werden, was getan wird.
Es gibt nur zwei Optionen.
Option 1: Mit dem kaputten Hinterrad weiterfahren, denn auch ohne eine Speiche fährt es sich gerade recht gut. Option 2: Ich bitte Velostreet darum mir eines von ihren Hinterrädern einzubauen und wenn das Ersatzteil dann ankommt sollen sie es nach Deutschland zurückschicken!
Ich bete aber für Option 0: Hinterrad aus Bremen ist schon angekommen und wird einfach ausgetauscht
Die süße Familie aus Schwaben mit Baby Albi ist auch auf Neringa gelandet. Leider haben wir uns um ein paar Stunden verpasst denn ich musste in meinem Robinson-Versteck alles zusammenpacken und losfahren. Auf dem Rückweg habe ich aber tatsächlich noch für eine halbe Stunde pausiert, um endlich auch einmal wieder die Drohne fliegen zu lassen. Man freut sich immer über die Bilder, aber es ist eine elende Fummelei bis der Quadrocopter in der Luft ist. Außerdem sind die Teile so laut und man erzeugt immer unangenehme Aufmerksamkeit.
Mein Spot war aber weit ab von irgendwelchen Menschen und ich bin gespannt auf die Bilder. Jetzt wird noch ein bisschen in der Biografie von Foo Fighter Dave Grohl gelesen, ein wirklich gutes Buch. Good Night and good Luck
Tage 73-76
Samstag 25.06. – Dienstag 28.06.2022
Meine fünf Tage auf Neringa/Kurische Nehrung
Fünf BeachCleanUps in fünf Tagen! Die Insel ist ein Traum aber meine Robinsonade muss ein Ende haben, denn wer rastet der rostet und ich will ja die nächsten 1600 km ohne Motor fahren.
Jetzt heißt es wieder in die Gänge zu kommen! Gestern gab es über die Nacht ein veritables Gewitter mit amtlichem Regengüssen. Ich warte ab bis das Zelt trocken ist. Anschließend wird gepackt und die Stadt Klaipėda angepeilt. Dort soll mein Paket 📦 ankommen. Ich hoffe auf morgen Vormittag!
Tag 72
Freitag 24.06.2022
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Antrasis Smiltynės paplūdimys
Der gestrige Tag begann extrem vielversprechend. Akku zu 100% geladen toller Zeltplatzes im Wald und eine schöne Strecke Richtung Litauen vor mir.
Aber es kommt wie es kommen muss… 10 km übelste Gravelpiste mit ewigen Längsrillen, die meinen armen Silver-Surfer dermaßen durchrütteln, dass es keine Freude ist.
Die Strecke zieht sich, ich finde keine Ortschaft an der ich Wasser auffüllen kann. Also stiefle ich zu einem kleinen Bach runter und befülle meine leeren Wasserflaschen. Die leicht gelbliche Trübung lässt nichts Gutes erwarten und der leicht muffige Geruch auch nicht. Ne Menge Rindviecher stehen hier auch immer wieder auf den Feldern herum, da soll man sein Wasser ja auch nicht abzweigen, sagt eine alte Wanderweisheit. Als Notreserve, zum Abkochen nehme ich es trotzdem mit.
Dann passiert es – ein lautes metallisches Knacken, mein Hinterrad hat gerade seine fünfte Speiche verloren. Ausgebrochen an der ungünstigsten Stelle, direkt an der Motorbefestigung. Mir ist sofort klar, das war es. Hier ist Reparieren keine Option mehr. Nach vier Werkstattaufenthalten ist es auch einmal gut. Jetzt hilft nur ein Neuteil aus Deutschland. Jap, mein Freund bei Velo-Lab, ist sofort zur Stelle und baut ein Hinterrad bei einem seiner Bikes aus, verpackt es, bringt es zur Post und sendet mir gleich ein Video davon. In solchen Momenten liebt man sein Smartphone und die moderne Technik… das hebt meine Stimmung binnen Sekunden. Ich hatte mich nach der gebrochenen Speiche nicht einmal mehr traurig oder verzweifelt gefühlt, sondern einfach nur völlig leer und taub, beraubt jeder Emotion: Alles egal, total egal!
Mittlerweile sehe ich meinen unfreiwilligen Aufenthalt als Geschenk an. Ich befinde mich auf der Halbinsel Antrasis Smiltynės paplūdimys, direkt vor den Toren von der Stadt Klaipėda gelegen. Dorthin wird mir in ca. vier Tagen mein Hinterrad geliefert, wenn alles nach Plan läuft und wenn eines einem diese Tour gelehrt hat, das nie etwas nach Plan verläuft. Am Ende es aber immer irgendwie geht und in der Rückschau sind das die eigentlich bleibenden Momente. So bleibt mir ersteinmal nichts anderes zu tun, als Darius zu danken, der mir den Tipp gab, hier auf der Halbinsel auf das Rad zu warten und die einzigartige Dünenlandschaft, die Wälder, das Meer und den Bodden zu genießen – und genau das werde ich in den nächsten Tagen tun!
Tag 71
Donnerstag 23.06.2022
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Nicht schon wieder ...
Fünfte Speiche im Hinterrad gebrochen, wieder aus der Motorbefestigung! Es hilft nichts, ich brauche ein neues Hinterrad aus Deutschland!
Ich gehe von fünf Tagen warten aus – so soll es dann sein🌻
Tag 70
Mittwoch 22.06.2022
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Im Alter von 11 Monaten auf die erste große Reise
Ich schaue gebannt aus meinem Zelt, fast 22:00 Uhr. Gleich setzt hier die Dämmerung in Lettland ein und ich campe in einem großen Waldgebiet, relativ weit von der Bundesstraße entfernt. Hier muss ich doch heute Nacht meinen ersten Elch sichten. Es kann doch nicht angehen, dass ich jetzt schon weit über 5000 km unterwegs in allen skandinavischen Ländern plus Baltikum bin und von den unzähligen Elchen läuft mir keiner vor die Optik.
Fahrrad schnurrt wieder wie ein Kätzchen. Es ist wirklich verrückt in wie viele Gefühlszustände man über einen einzigen Tag gerät. Von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt in kürzester Zeit und das in einer Endlosschleife – so kommen mir meine letzten drei Wochen vor.
Heute waren wieder Euphorie und Fröhlichkeit dran. Das reparierte Bike lässt mich den Krampf der letzten Tage vergessen und dann habe ich eine der schönsten Begegnungen meiner Reise.
Schon von weitem erspähe ich vor mir auf der Landstraße ein Reisefahrrad-Pärchen. Die Frau zieht auch einen Anhänger hinter ihrem Fahrrad her und hinten baumeln undefinierbare Fetzen herum. Ah, die sammeln wohl auch Müll schießt es mir durch den Kopf und ich setze zum überholen an und werfe noch einen Blick in den Anhänger. Ein Baby!!!
Also besser gesagt ein Kleinkind: Albert 11 Monate alt, am 11.07. wird er ein Jahr alt. Wie cool, denke ich mir! Natürlich spreche ich die beiden daraufhin an und zeige mich ehrlich begeistert von ihrer Aktion mit Albert auf Fahrradtour zu gehen. Isabella und Heinrich sind zwei grundsympathische Schwaben aus Stuttgart. Sie sind von Tallinn gestartet und wollen noch bis Klaipėda. Dann sind sie auch über 800 km gefahren, in vier Wochen. Ihren Rhythmus passen sie dem Kleinen an und das funktioniert tadellos.
Weil wir uns so nett unterhalten fahren wir runter von der Bundesstraße und setzen uns auf einen Nachmittags Lunch in ein gemütliches kleines Restaurant/Café. Es tut so gut nach drei Wochen mal wieder deutsch zu reden, eine sehr schöne Sprache in der es sich einfacher macht, über alle möglichen Themen reden zu können. Ein leckerer Falafel-Teller, mit Pommes wird bestellt und eine einheimische Rhabarber-Limonade dazu getrunken und sich darüber ausgetauscht, wie schön und wichtig es ist, seine Komfortzone immer wieder zu verlassen, um sich klar zu machen was eigentlich alles möglich und wozu man fähig ist. Wenn man bei fünf Grad in seinem Zelt liegt und feststellt, dass die Isomatte aus Kolumbien, nicht für diese Temperaturen gemacht ist, dann stopft man einfach die leeren Packtaschen als weitere Isolationsschicht dazwischen und schon kann Albert friedlich schlafen. So eine Reise schult das improvisations Talent enorm.
Ich schaue dem Kleinen beim Spielen und Entdecken zu. So ein großes Cargobike hat viele tolle Dinge, die man unter die Lupe nehmen kann, wie z.B. meinen kleinen SeeHamster oder meine Flaggen Kollektion …
Am Ende laden die beiden mich sogar ein und ich habe nicht nur ein tolles Gespräch und Gesellschaft gehabt, sondern auch noch einen vollen Magen und Akku 🔋
Die Handynummern werden ausgetauscht und wenn alles klappt, dann treffen wir uns morgen auf einen Kaffee in Liepāja …
Ich würde mich freuen!
Jetzt aber erstmal einen Elch fotografieren. Drückt mir die Daumen!
Tag 69
Dienstag 21.06.2022
Willkommene Zwangspause
Kein Fahrradladen, der mir ein neues Hinterrad ohne Motor einbauen kann. Denn nach den Problemen, kommt mir der Gedanke immer wieder, ohne elektrische Unterstützung weiterzufahren. Die Leute sind sehr freundlich, aber man merkt, dass hier in der Stadt nicht das Zentrum der lettischen Hightech Bike Community ist 🚲♻️🔋
Trotzdem wird mir wie immer geholfen. Ein extrem freundlich Herr, der nur zwei Stunden am Tag seinen Fahrradladen führt und hauptberuflich etwas völlig anderes macht, erbarmt sich meiner und baut mir zwei neue Speichen ein, zentriert das Rad und spannt die Speichen so nach, dass die Acht fast verschwindet.
Mittlerweile habe ich kein Vertrauen mehr in dieses verdammte Hinterrad, aber eine andere Alternative bleibt mir nicht. Jap von Velo-Lap würde mir sofort ein komplettes neues Rad zusenden, aber ab Freitag ist hier langes Wochenende: Mittsommer. Dieser Tag ist hier ein Feiertag, wird aber am 23. und nicht heute gefeiert. Ich habe keine Ruhe, hier Däumchen zu drehen. Ich muss weiter fahren. Ich muss mir das Hinterrad woanders hinschicken lassen und hoffen dass mein Schrotthinterrad noch mindestens eine Woche durchhält, bevor es wieder seinen Geist aufgibt!
Die Zwangspause bringt lediglich den nicht zu unterschätzenden Vorteil mit sich, seinem Körper eine Pause zu gönnen – zumindest physisch.
Tag 68
Montag 20.06.2022
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Schöne Natur? Bestimmt, aber ich muss mich mit anderen Dingen beschäftigen.
Der Tag fing so schön an: BeachCleanUp am nördlichsten Punkt Lettlands, Nationalpark Slīteres, Zelt direkt am Meer aufgebaut, wilde Landschaft mit umgestürzten Bäumen vor der Nase.
Mit vollem Akku geht es immer der Küstenlandstrasse entlang, exakt 75 km ohne einmal abzubiegen. Auf den letzten 10 km vor Ventspils höre ich ein lautes metallisches Geräusch aus Richtung des Gebäckträgers. Ich denke, das irgendetwas vom Rad gefallen ist, halte an und überprüfe die Straße und den Randsteinstreifen hinter mir – nix zu sehen. Muss wohl nur irgendein Steinchen gewesen sein, denke ich mir, und setze die Fahrt fort.
In Ventspils muss ich aber tatsächlich wieder die Batterie vom Silversurfer laden, 00,00 km auf der Ladeanzeige. Der ständige Gegenwind hat seinen Tribut eingefordert und ich setze mich für drei Stunden in ein wirklich hübsches und leckeres Restaurant. Salat, Mozzarella mit Gemüse, Vanilleeis und warmer Schokoladenkuchen. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Mit vollem Magen und Akku 🔋 fahre ich los, um mir ein Plätzchen in der Natur vor den Toren der Stadt zu suchen. Tja, da habe ich wie schon so oft die Rechnung nicht mit meiner Nemesis, dem sogenannten Pannenwirt, gemacht! Das Hinterrad fängt plötzlich sehr laut an zu schleifen. Ich bleibe stehen, schaue mir den Schlamassel an und plötzlich weiß ich wo das hässliche Geräusch von vorhin herkam. Da ist sie, meine dritte gebrochene Speiche. Gut dass ich damals in Starvanger Ersatzspeichen besorgt hatte.
Gepäck runter, Akku raus, Fahrrad auf den Kopf gestellt und jetzt zeigt sich, ob ich beim Speichenwechsel zuschauen im Fahrradladen in Stavanger etwas behalten habe … eine verdammte Stunde porkel ich an der Speiche und dem Speichennippel rum, bis ich dem Wahnsinn so nahe bin wie Jack Nicholson in „The Shining“. Kurz durchzuckt mich der Gedanke, hier einfach alles kurz und klein zu hauen, dann spüre ich plötzlich wieder nur noch diese fiese Leere, wenn der eigene Akku leer ist und man keine Substanz mehr besitzt, um etwas dagegen zu tun. Als ob einer einem die Luft aus dem gesamten Körper gelassen hat. Also radel ich zurück in die Stadt, aus der ich gerade „entfliehen“ wollte.
Auf dem Campingplatz, der wirklich sehr hübsch ist, baue ich unter Kiefern mein Zelt auf. Alles leer, kaum Leute hier. Dann die erste Dusche nach 14 Tagen. Das ist immer wieder ein erhebendes Gefühl, auch wenn man so fertig ist wie ich gerade!
The Show must go on! Long live the Seahamster!
Tag 67
Sonntag 19.06.2022
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Das hätte teuer werden können
Ich wurde um 4:00 Uhr in der Früh geweckt! Eine Horde Teenagern, die wahrscheinlich von irgendeiner Party kamen, zogen auf dem Weg zum Strand an meinem Zelt vorbei. Sie wollten wohl den Sonnenaufgang bewundern. Da war natürlich nicht mehr an Weiterschlafen zu denken. Ich habe kurz guten Tag und auf Wiedersehen gesagt, gewartet bis die Truppe zurück zu ihren Autos gegangen ist und dann mich noch einmal für zwei Stunden hingelegt. Aber so richtig in den Schlaf kam ich nicht mehr.
Also startet ich gleich morgens um 07:00 Uhr meinen BeachCleanUp und konnte innerhalb von 20 Minuten meine Netztasche mit Plastikmüll füllen …
Es ist schon der Hammer wie viel Müll man doch an einem relativ sauberen Strand finden kann. Dummerweise wollte ich dann auch noch die Kaffeeautomaten an einem Rastparkplatz ausprobieren … Wie alles, funktioniert das Bezahlen hier über die EC Karte. Gesagt getan: EC Karte eingeführt, Kaffee aus der Maschine gezogen, Moccachino genossen und dann fröhlicher Dinge los geradelt – nach 500 m schießt es mir wie einen Blitz durch den Kopf: „Markus du alter Trottel, hast du deine EC Karte überhaupt abgezogen?“ Nein natürlich nicht. Mit Lichtgeschwindigkeit zurückgeradelt und – glücklicherweise – die Karte steckte noch unberührt im Automaten!
Das wäre wirklich eine richtige Katastrophe geworden, wenn ich am Ende des Tages noch einmal 50 km hätte zurückfahren müssen, um meine EC Karte zu holen.
Ja, so schnell kann’s gehen …
Tag 66
Samstag 18.06.2022
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Mann, das ist echt Arbeit!
Das Zeitmanagement ist mein größtes Problem: Mindestens 80 km machen, Plastikmüll sammeln, Free WiFi finden damit ich Euch über Social Media informieren kann, Strom finden damit ich meinen Akku laden kann, coolen wilden Zeltplatz finden, damit ich BuBu machen kann und last but not least, ne Strecke finden die möglichst am Meer, nicht an der Hauptstraße aber auch fahrbar ist finden und bewältigen. Zu guter Letzt, der Familie und Torsten, meinem verlängerten Arm zu unserer Big-Biking-Cleanup-Website, Bescheid geben was so passiert ist und dass man einen safen Platz zum Schlafen gefunden hat.
Da kann man schon ins Schleudern kommen.
Gottseidank macht das Fahren ja ultra viel Spaß und die Begegnungen mit netten Menschen geben einem das Gefühl noch Teil der Gesellschaft zu sein.
Heute z.B. hat mir ein hilfsbereites lettisches Paar geholfen, mein Tad von einer Autobahnüberführungsbrücke über 50 Stufen hinabzutragen… alleine wäre das wieder eine höllen Plackerei geworden. Und da die ganze Straße noch aufgerissen war, haben sie mich 15 Minuten lang in die richtige Richtung begleitet und mir einen schönen Trip gewünscht – das ist echte Willkommenskultur💚🌻👍🙏
Naja, dafür räume ich ja auch deren Strände auf 😂💚♻️🔋🚲
So, jetzt esse ich um 23:03 Uhr noch einen Topf Nudeln mit Chilisauce und lasse mich von den Mosquitoes 🦟 attackieren – gute Nacht!
Tag 65
Freitag 17.06.2022
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Völlig schräger Tag!
Gemütlich ohne Unterstützung losgefahren, nachdem ich einen ordentlichen BeachCleanUp hingelegt hatte.
Nach 5 km das erste Hindernis, ein umgestürzter Baum der nicht umfahrbar war … also alle Gepäcktaschen abbauen, Klappe runter vom Bike, Batterie ausbauen (8 kg) Lenkertasche, Packtaschen, Duffelbag, alles runter! Dann das Fahrrad über den nicht wirklich kleinen Stamm hieven und alles wieder anbringen.
Keine 3 km weiter dann der Oberhammer: Der Fahrradweg 101 wird zum Strandwanderweg. Hört plötzlich einfach auf und ich muss wieder alles abbauen. Erneut wird das Cargobike geschultert und eine Treppe zum Strand hinabgetragen und natürlich wieder rauf …
Wie zuvor bereits musste das gesamte Gepäck erneut runter und die sechshundert Meter über den Strand geschleppt und am Ende logischerweise wieder aufgeladen werden …
Zum Ende des Tages stehe ich dann auch noch vor Bahngleisen und der Fahrradweg geht fröhlich auf der anderen Seite weiter, aber weder eine Rampe oder eine Brücke die einem helfen könnte dieses Hindernis zu überwinden?!?! Lebensgefährlich so ne Fahrradroute, wer hat sich das ausgedacht? Die Autolobby??? Zum dritten Mal baue ich alles ab, werde dabei von Mosquitos aufgefressen und um das Elend perfekt zu machen verbiegt sich bei der Tortur auch noch mein Fahrradständer und ich muss auch da noch einmal ran und das Problem beheben …
Ich sach euch, Tage gibt es, da sollte man lieber im Zelt bleiben und ein gutes Buch lesen 😂🇱🇻👍🌻
Was für ein Tag!
Tag 64
Donnerstag 16.06.2022
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Lettland begrüßt mich mit spektakulärem Sonnenuntergang
Heute morgen im großen Shoppingcenter sowohl Social Media gemacht (Free WiFi) als auch die beiden Displays meiner Handys repariert. Die Schutzscheiben mussten erneuert werden. Dann Wasser getankt und ein Buch gekauft („The Storyteller“ von Dave Grohl). Habe tatsächlich abends im Zelt Zeit und Lust etwas zu lesen.
Estland war super schön, eine romantische Ecke nach der nächsten. Freundliche aber etwas zurückhaltende Menschen. Eigentlich so, wie ich mir die Finnen vorgestellt hatte.
In Lettland angekommen, dann noch einen Traumplatz zum Campen, direkt an der Ostsee, gefunden und meinen spektakulärsten Sonnenuntergang angeschaut, während ich mir Nudeln auf dem Kocher zubereitet habe. Im Moment wird jeder Tag zu einem Naturschauspiel.
Die drei Kg Müll, die ich so gerne gesammelt hätte, um die 100kg voll zu machen, habe ich leider nicht ganz hingekriegt – das schaffe ich aber morgen
Tag 63
Mittwoch 15.06.2022
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Mit Rückenwind durch die menschenleere Natur
Hatte noch 90 km auf dem Akku und da der Wind von hinten kam und die Strecke meistens flach war, habe ich die 96,2 km komplett ohne Unterstützung gemacht. Gutes Training und so mußte ich an einer verwaisten Burger-Bude auch nur für eine Stunde Strom tanken.
Stranger Tag, nur Sonne, viel Wind, wenig Verkehr, romantische Landschaft, viele alte Kirchen und historische Gebäude entlang des Weges, aber auch keinen einzigen Menschenkontakt. Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt schon einen Tag ohne Gespräch mit einem menschlichen Wesen hatte …
Dafür haben wir die 5000er-Euro-Hürde geknackt und das fühlt sich richtig gut an
Auf geht’s, noch fehlen ein paar Groschen aber die kriegen wir auch noch zusammen
Tag 62
Dienstag 14.06.2022
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Eine wichtige Zwangspause!
Gestern wurde mir meine gebrochene Gabel geschweißt :-), übrigens von zwei russisch stämmigen Esten, die extrem hilfsbereit waren und sich meiner sofort angenommen haben: Alexsandr und Almo!
Um 08:00 Uhr vom Campingplatz abgeholt und um 12:00 Uhr wieder mit reparierten Bike zurückgebracht. Dazwischen in den Hafen gefahren, Gabel in Schiffswerft ausgebaut, Rad abmontiert, Scheibenbremsensattel, Licht, Kugellager, Lenkrotor und dann die blanke Gabel wieder in Form gebogen und geschweißt. Was alles möglich ist, wenn es keine Alternativen gibt …
Danach war ich aber komplett leer. Im Moment des Handels merkt man gar nicht wie angeschlagen und ausgelaugt man von dem ganzen Stress der Tour eigentlich ist, mental und physisch. Auf der Zeltwiese hatte ich meinen persönlichen Meltdown der gesamten Tour, Heulkrampf inklusive!
Die Entscheidung heute nicht weiter zu fahren und einfach den Tag passieren zu lassen war genau richtig…
Drei Stunden vor dem Zelt in der Sonne gedöst und dann einen Spaziergang in die wirklich bildhübsche, historische Stadt Haapalu gemacht. Altstadt und Burg angeschaut. Das erste Mal Sightseeing während der gesamten Tour – tut auch mal gut.
Heute dann die Gabel auf 81,2 km getestet. Scheint zu halten. Auf Dreiviertel der Strecke dann Strom an einer Tanke vom netten Servicepersonal bekommen. Als Dank zwei Kaffee getrunken und ein anständiges Trinkgeld dagelassen. Einen Regenschauer auch noch vor Ort abgewettert und specialness’s gemacht!
Jetzt sitze ich am Meer und genieße den Sonnenuntergang bei einer heißen Tomaten-Nudelsuppe 🍝 💚🔋♻️🌻🇪🇪🙏🤞🚲🏕
The final tour standings